Samstag, 16.04.2016

Seit einigen Tagen geht kein Tag vorbei, ohne dass in den Medien über den Vorfall von Therwil berichtet wird: Zwei Schüler mit islamischem Hintergrund haben der Lehrerin aus religiösen Gründen den Händedruck verweigert. Das Thema ist wie üblich sehr heiss gekocht und teilweise auch pauschal diskutiert worden. Dieser Vorfall war ganz bestimmt eine grosse Ausnahme. Als Sportlehrerin hatte ich glücklicherweise bis jetzt keine ernsthaften soziokulturellen Schwierigkeiten im Sportunterricht, musste aber beispielsweise auch schon erklären, wieso bei uns alle ins Schwimmbad dürfen und der Schwimmunterricht obligatorisch ist. Wir haben an unseren Schulen Lehrpläne, die für alle gelten.

Für mich ist die Verweigerung des bei uns traditionellen Grusses ist ein absolutes «No-Go». Es ist eine Diskriminierung gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Hier in der Schweiz haben Frauen gleiche Rechte wie Männer. Dieses Recht wurde vor vielen Jahren hart erkämpft. Menschen aus anderen Ländern mit anderen Religionen sind zu uns gekommen, weil sie unterdrückt und verfolgt worden sind. Darum kann ich nicht nachvollziehen, dass hier bei unseren alltäglichen Ritualen, welche respektvoll gegenüber allen Men- schen sein sollen, Kompromisse gemacht werden. Unsere Kultur darf nicht hinten angestellt werden. Für mich nimmt der Sport, und damit meine ich auch den obligatorischen Sportunterricht in der Schule, eine zentrale Rolle für die Integration ein. Respektvolle Berührung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern hilft eine Beziehung aufzubauen. Wir kommunizieren verbal und nonverbal. Dies ist absolut notwendig, besonders im Sport. Wir brauchen Körper und Körperkontakt. Es muss gelernt werden, mit dem eigenen Körper umzugehen und auch Grenzen zu setzen. Nähe und Distanz prägen die sportliche Bewegung. Der «Handshake» ist ein gängiges und sehr beliebtes Ritual; oft auch vor der Stunde zur Begrüssung oder eben auch während des Spiels in einer ab- geänderten Form. Freude und Emotionen werden durch Körpersprache ausgedrückt. Ein lauter, begeisterter Jubel, gefolgt von einem freundschaftlichen Abklatschen nach einem Tor, ist wohl eines der wunderbarsten Rituale. Buben geben Mädchen einen Handschlag und Mädchen Buben. So soll es sein.

Im Sport gibt es keine Kopfbedeckung, weder Schildmütze noch Kopftuch. Wir respektieren einander und treten einander gleich gegenüber. Zugehörigkeitssymbole jeglicher Art sind unnötig. Dazu kommt, dass Kopfbedeckungen im Sport unbequem sind und die Schülerin- nen und Schüler an der freien Bewegung hindern. Die Bewegung, also der Umgang mit dem Körper, basiert auf grossem Vertrauen und Respekt. Nur so kann zusammen, gespielt, geturnt, gekämpft, getanzt oder geschwommen werden. Meine Schüler und Schülerinnen müssen mir vertrauen, dass ich sie am Reck bei einer Übung unterstützen oder vor einem Fall bewahren kann. Ich biete Hand – ein Zeichen des Respekts. Nach gewonnenem Spiel, egal ob im Schul- oder Vereinssport reicht der Sieger dem Verlierer die Hand. Der Verlierer gratuliert. Auch hier zeigt sich wieder die Geste des Respekts, der Fairness und Toleranz. Das passiert ganz natürlich und ist für alle klar. Sport verbindet, ist eine Chance für alle und kann «Berge versetzen». Nutzen wir sie.

Ein Symbol des Respekts - Standpunkt im Bieler Tagblatt